Die Arnims von Boitzenburg: Adel, Dichtung – und ein verschwundener Schatz

 

Eine Familie zwischen Geist und Geheimnis

In den nebelverhangenen Wäldern der Uckermark, umgeben von sanften Hügeln, alten Alleen und dem verwunschen wirkenden Schloss Boitzenburg, lebt ein Erbe fort, das weit über das Sichtbare hinausgeht. Die Familie von Arnim, eine der bedeutendsten Adelsgeschlechter Brandenburgs, vereint in ihrer Geschichte nicht nur politische Einflussnahme und kulturelle Strahlkraft – sondern auch ein ungelöstes Mysterium: Ein verschwundener Schatz, angeblich vermacht von keinem Geringeren als dem romantischen Dichter und adligen Freigeist Achim von Arnim selbst.

Eine literarische Dynastie

Achim von Arnim (1781–1831) gehört mit seinem Freund Clemens Brentano zu den herausragenden Vertretern der deutschen Romantik. Seine Werke wie Des Knaben Wunderhorn oder Isabella von Ägypten spiegeln die Sehnsucht nach Tiefe, Mythos und Magie. Doch Arnim war mehr als nur Dichter: Als Mitglied des märkischen Landadels verband er gelebte adlige Tradition mit intellektuellem Idealismus. Sein Familiensitz, das Schloss Boitzenburg, war im frühen 19. Jahrhundert nicht nur ein Ort repräsentativer Herrschaft, sondern auch ein Rückzugsraum für literarisches und geistiges Schaffen.

Seine Tochter Armgart, eine kluge und selbstbewusste Frau, heiratete 1839 den preußischen Diplomaten Herman von Arnim, später Botschafter in Paris und preußischer Gesandter in Frankfurt am Main. Zur Hochzeit soll Achim – so berichten spätere Generationen – seinem Schwiegersohn einen Schatz vermacht haben, ein Konvolut aus Goldmünzen, Juwelen, wertvollen Manuskripten und angeblich sogar einer Reliquie aus dem Dreißigjährigen Krieg.

Doch der Schatz kam nie an.

Der Hinweis – ein kryptisches Rätsel

Statt einer greifbaren Übergabe soll Achim von Arnim ein Rätsel hinterlassen haben – eine Art literarische Schatzkarte, verschlüsselt in Versen. Dieses Rätsel existiert tatsächlich, handschriftlich überliefert im Familienarchiv. Es lautet in einer überlieferten Fassung:

Mit M umschließt es manchen Garten,
mit D trotzt es der Zeiten Lauf,
mit B muß es den Acker warten,
mit L liegn'n Jäger oft darauf.
 
 
Die Auslegung dieses Rätsels beschäftigt seit Generationen nicht nur Nachkommen der Arnims, sondern auch Heimatforscher, Schatzsucher und Liebhaber romantischer Geheimnisse. Besonders die Erwähnung von "Buch und Buche" sowie "grauem Stein" lässt viele auf die alten Baumgruppen und Ringanlagen im Landschaftspark von Boitzenburg schließen – ein Ort, den Arnim selbst mitgestaltet haben soll.
 

Boitzenburg – ein Ort mit doppeltem Gedächtnis

Das Schloss Boitzenburg, eine der größten erhaltenen Schlossanlagen in Brandenburg, liegt idyllisch in einem See- und Waldgebiet. Schon im 16. Jahrhundert kam es in den Besitz der Familie von Arnim und wurde im 19. Jahrhundert im neogotischen Stil prachtvoll erweitert. Der angrenzende Landschaftspark, entworfen im Geiste von Lenné, bietet mit seinen Teichen, Grotten, Steinen und Baumgruppen zahlreiche Orte, an denen ein Schatz tatsächlich verborgen sein könnte.

Und tatsächlich: In den 1930er Jahren und erneut nach 1990 gab es heimliche Grabungen, die das Rätsel zu lösen versuchten. Doch gefunden wurde bis heute – nichts.

Ein Rätsel ohne Lösung – oder eine romantische Konstruktion?

War der Schatz real? Oder nur eine romantische Inszenierung? Einige Historikerinnen und Historiker vermuten, dass Arnim seinen literarischen Hang zur Mystifikation auf die Spitze trieb – und der Schatz ein Symbol war: für geistiges Erbe, für poetischen Reichtum, für das Unsichtbare im Sichtbaren. Andere halten eine konkrete Hinterlassenschaft durchaus für möglich – verborgen in einer Gruft, einem versteckten Schacht oder einer der vielen Kelleranlagen unter Boitzenburg.

Eine Theorie besagt, dass das Rätsel nur in Kombination mit einem zweiten Text zu lösen sei, den Arnim angeblich separat niedergelegt habe. Doch dieser Text ist bis heute verschollen.

Ein Erbe voller Fragen

Heute ist Boitzenburg ein Ort des Tourismus, der Geschichte – und der Legenden. Die Familie von Arnim lebt weiter, auch wenn ihr Einfluss längst nicht mehr die preußische Gesellschaft bestimmt. Doch das Rätsel bleibt: Ein Schatz, der nie gefunden wurde. Ein Dichter, der mit Worten verbarg, was vielleicht nie gehoben werden sollte. Und ein Ort, an dem die Romantik bis heute mit jedem Nebelschleier wiederkehrt.

Vielleicht liegt er noch immer dort – unter Efeu, im dritten Ring, wo Nacht rein scheint.


Quellen und Verweise:

  • Familienarchiv von Arnim, Schloss Boitzenburg (private Überlieferung)

  • Deutsche Romantikforschung, Bd. 12: „Geheime Texte Achim von Arnims“, Hrsg. K. P. Jürgensen

  • Ulrich Wendt: Schlösser, Legenden, Vermächtnisse: Brandenburgs Geheimnisse, Berlin 2009

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